Wie uns Flügel wuchsen von X66 ([KaRe]) ================================================================================ Kapitel 1: Trennung ------------------- Wie uns Flügel wuchsen „Friendship is love without his wings.“ Lord Byron Kapitel 1: Trennung Es war vorbei. Endlich vorbei. Es hatte ihn selbst überrascht, wie erleichtert er sich nun tatsächlich fühlte, wie…frei. Doch fühlte er sich gleichzeitig schuldig Mao gegenüber, dass er vor allem diese Erleichterung empfand und nicht tiefe Traurigkeit oder Enttäuschung. Von diesem Konflikt völlig eingenommen, schloss Rei mechanisch die Tür zu dem gemeinsamen Appartement auf, das er mit Max, Takao und Kai bewohnte. Nachdem er sich Schuhe und Jacke ausgezogen und sie irgendwo in den Flur geworfen hatte, machte er sich auf den Weg in die Küche, um sich dort einen Tee zu kochen. Es war Samstagmorgen, sehr früh, und keiner der anderen war schon wach, noch nicht einmal Kai. Der Schwarzhaarige seufzte, als er sich an den Küchentisch setzte. Er hatte Kopfschmerzen, weil er die Nacht nicht geschlafen hatte, und massierte sich mit kreisenden Bewegungen die Schläfen, während er darauf wartete, dass das aufgesetzte Wasser zu kochen begann. Er hatte sich in der letzten Nacht von Mao getrennt, nach knapp zwei Jahren Beziehung. Wie jeden Freitagabend war er mit ihr in den Clubs der Stadt unterwegs gewesen und wie jeden Freitag hätte er bei Mao übernachten sollen. Aber auf dem Weg zu ihrer Wohnung hatten sie sich in die Haare gekriegt. Es hatte mit irgendeiner belanglosen Kleinigkeit angefangen und war irgendwo zwischen Haus- und Wohnungstür ausgeartet. Schließlich in der Wohnung angekommen, hatten sich Mao und er furchtbar gestritten und sich alles an den Kopf geworfen, worüber sie in den letzten zwei Jahren kein Wort verloren hatten. Das Ganze hatte damit geendet, dass Rei sich von Mao getrennt hatte. Sie hatten eigentlich beide gewusst, dass es zwischen ihnen schon seit längerem nicht mehr so geklappt hatte wie vielleicht am Anfang. Mao war offensichtlich trotzdem nicht bereit gewesen, ihre Beziehung zu beenden, denn sie war in eine Tränenflut ausgebrochen, nachdem Rei die Worte der Trennung ausgesprochen hatte. Das Wasser kochte mittlerweile längst und während Rei dieses vorsichtig in die Tasse goss, in die er zuvor einen Teebeutel gehängt hatte, fragte er sich, ob er andere Worte hätte wählen müssen, ob er zu harsch gewesen war, als er mit Mao Schluss gemacht hatte. Es hatte ihn nicht unberührt gelassen, dass sie so viele Tränen vergossen hatte - schließlich mochte er sie eigentlich noch immer, nur eben nicht mehr auf diese besondere Art und Weise. Seine Entscheidung bereute er indes nicht, weder in jenem Moment, noch jetzt, wo er Bedenkzeit gehabt hatte. Es war, als wäre ihm mit der Trennung eine schwere Last von den Schultern gefallen, von der er nicht einmal gewusst hatte, dass er sie überhaupt trug. Er setzte sich mit seinem Tee wieder an den Küchentisch und nippte vorsichtig an dem heißen Getränk. Als er sich noch einmal an all das erinnerte, was er mit Mao erlebt hatte, fragte Rei sich, ob es mit Mao und ihm jemals so gut funktioniert hatte, wie er immer geglaubt hatte. Innerlich versprach er sich, dass er nicht noch einmal zulassen würde, dass eine Beziehung so den Bach hinunterging, ohne dass er es bemerkte. Das nächste Mal wollte er ehrlicher mit sich selbst sein und eine Beziehung nicht so lange von seinem Alltagstrott führen lassen. In diese Gedanken brach Kai hinein, indem er die Küche betrat. Er grummelte ein „Morgen“, machte sich einen Kaffee und setzte sich zu Rei. Erst dann realisierte er offenbar, dass es höchst merkwürdig war, diesen an einem Samstagmorgen in der Küche anzutreffen. „Was machst du um diese Uhrzeit hier?“, fragte er. „Ich habe mich von Mao getrennt“, kam die Antwort ohne Umschweife. Es war das Einzige, was Rei momentan beschäftigte, und da er loswerden musste, was geschehen war, gab es kein Zögern in seiner Erwiderung. Es folgte ein kurzes Schweigen von Kai, dann zog er eine seiner Augenbrauen hoch. „Willst du drüber reden?“ Der Schwarzhaarige nickte. Er war froh, dass Kai es war, mit dem er als Erstes über alles reden konnte. Sie studierten an derselben Uni, verbrachten insgesamt viel Zeit miteinander und waren mehr oder minder das, was man als beste Freunde bezeichnen mochte. Rei wusste zwar, dass ein Annehmen des Angebotes des Russen hieß, dass er redete und der andere lediglich zuhörte. Aber das reichte auch schon. Entgegen Annahmen der vermutlich meisten Menschen, die Kai nicht persönlich kannten, war dieser ein erstaunlich guter Zuhörer, sofern er dies denn wollte. Denn er konnte denjenigen, den er diesen Gefallen tat, auch ohne Worte seinerseits das Gefühl vermitteln, verstanden zu werden. Also begann Rei zu erzählen, wie alles mit immer häufigeren Streitereien angefangen hatte, weil Mao jede Kleinigkeit zu einem Riesentheater hatte werden lassen; wie sie immer häufiger miteinander geschwiegen hatten, weil sie einander nichts mehr zu sagen, nichts mehr zu erzählen gehabt hatten; wie sie beide aber der Realität offenbar nicht ins Auge hatten blicken wollen und ihre nicht mehr funktionierende Beziehung fortgeführt hatten, als sei nichts gewesen. Es erleichterte Rei, jemandem all das mitzuteilen, was er so lange unbewusst in seinen Gedanken unter Verschluss gehalten hatte. Der Schwarzhaarige verstummte nach einer Weile, hatte sich alles von der Seele geredet, was er loswerden wollte, und das genügte, um es ihm ein bisschen besser gehen zu lassen. Als ein verschlafener Max die Küche betrat, saßen sie einträchtig schweigend in dieser. „Guten Morgen“, sagte er herzhaft gähnend, bevor er sich ebenfalls einen Becher aus dem Schrank nahm. „Ich dachte, du wärst bei Mao bis heute Nachmittag, Rei? Du hast doch gestern gesagt, dass du wie immer bei ihr bist“, fragte er, gesellte sich dabei zu den beiden an den Tisch. Rei seufzte, bevor er antwortete. Er hatte von vorneherein gewusst, dass er nicht darum herumkommen würde, die Neuigkeit mehrmals zu verkünden. „Ich habe mich diese Nacht von Mao getrennt. Ich –“ „Getrennt? Wer hat sich getrennt?“, kam in diesem Moment die Frage von Takao, der ebenso verschlafen wie Max hereingekommen war. Seine Haare standen in alle Richtungen ab, man sah ihm an, dass er erst kurz zuvor aus dem Bett gestiegen war. „Ich mich von Mao“, wiederholte Rei, den Blick auf den Tisch gesenkt. „Oh“, machte Takao. Der Blonde, der sich von der ersten Überraschung ob dieser Nachricht mittlerweile schon erholt hatte, legte Rei die Hand auf den Arm. „Ist alles okay mit dir?“ Der Schwarzhaarige nickte, lächelte dankbar. „Ich denke schon. Ich habe mit Kai gesprochen und den ersten Schock, wieder Single zu sein, habe ich bereits überwunden.“ Kai lächelte daraufhin leicht in seinen Kaffeebecher. Rei sah das Lächeln trotzdem und erkannte, dass der Russe seinen Versuch, die Stimmung ein wenig zu lockern, gleich durchschaut hatte. Takao holte sich eine Schüssel und die Packung Cornflakes aus dem Schrank, stellte sie zu der Milch, die der Russe für seinen Kaffee schon herausgeholt hatte. „Weißt du, Mann... Mao sieht ja echt nicht schlecht aus und so, aber du brauchst jemanden, der ein bisschen...ausgeglichener ist.“ Er grinste und schlug Rei freundschaftlich auf die Schulter. Der Schwarzhaarige musste lachen, wenn auch ein bisschen widerwillig. Es waren Momente wie dieser, wie an diesem Samstagmorgen in der Küche, in denen er wieder einmal verstand, warum sie damals über weite Strecken ein so gutes Team gewesen waren und warum sie so oft zusammen gewonnen hatten. Er lächelte, als er Kais Blick traf, der leicht amüsiert auf ihm ruhte. Und er realisierte, dass eine Trennung fast immer einen neuen Anfang bedeutete. Wie auch immer dieser aussehen mochte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)